
Dann bin ich in diesem
Metallwald. Überall sind Spiegel und verzerren die Wirklichkeit in etwas noch Realeres.
Ich sehe mich tausendfach, aber kein einziges Mal so wie ich tatsächlich bin.
Die Schwerkraft hat nichts mit mir zu tun. Ich bin ein Spielball fremder
Mächte. Wie bei einem Erdbeben zittert der Boden und wirft meinen Kopf von
einer auf die andere Seite. Die Schwere versuchte meinen Leib in die
unterschiedlichsten Richtungen zu zerren, doch noch habe ich genug Kraft um
dagegen anzukämpfen. Um mich herum saust die Landschaft vorbei und wirkt dabei
wie ein abstraktes Gemälde. In mir bleiben die Gedanken hängen und reißen sich
fort wie Blätter im Sturmwind. Ich versuchte mich irgendwo festzuklammern und greife
nach dem nächsten Metallbaum. Er ist rund und grausam gerade, ohne Äste steht
er wie eine schmale Stange vor mir, genauso dick, das meine Hand ihn umfassen
kann. Ganz metallisch glänzend ist die Oberfläche. Glattpoliert wirft sich mir
ein Gesicht entgegen. Ich brauche einen Moment um festzustellen, dass es mein
eigenes ist. Es ist kalt.
Dann sehe ich diese Frau. Ich
erkenne die Kontur ihres Körpers aus dem Augenwinkel und bin sofort hellwach.
Die Anmut ihrer Bewegungen fesselt mich, obwohl sie nur leicht den Nacken
senkt. Ihr Hals erhebt sich gerade und schlank über ihren schmalen Schultern.
Ihre Haltung vermittelt Stolz und Unsicherheit. Ich versuche verzweifelt ihre
Augen zu finden, doch ständig sind mir diese metallischen Bäume im Weg. Mehrere
dieser spiegelnden Pfähle stehen zwischen uns. Sie steht nur wenige Meter
entfernt. Zierlich, bezaubernd und schüchtern lächelnd macht sie Platz, wem
auch immer. Die Erderschütterungen werfen uns aneinander vorbei. Immer wenn ich
glaube endlich ihre Augen zu treffen, verschwindet ihr Gesicht hinter dem Pfahl
und ich sehe nur die Schönheit ihrer fließenden Haare oder ihre langen Finger,
die den Metallbaum umgreifen, als wäre er die letzte Rettung. Hoffentlich geht
es nie vorüber. Hoffentlich ist es bald vorbei. Ihre Augen vermitteln eine
Mischung aus Hochmut und Unterwürfigkeit. Ich sehe dort eine Prise Sanftmut und
ein wenig Arroganz auf einem unsicheren Grund, der vollkommen von ihrer
Schönheit überdeckt ist, die so tief ist wie all die Weisheit dieser Welt.
Alles sehe ich in und an ihr. Mich sieht sie nicht. Ob sie ihre Wirkung kennt?
Manchmal bewege ich meinen Kopf leicht nach links, doch dann schaut sie nach
rechts und umgekehrt. Es ist wie ein Spiel, ein aussichtsloses Ringen um den
entscheidenden Blick. Wir tanzen in unterschiedlichen Welten um uns herum. Der
Metallbaum, an dem sie sich festhält, scheint über ihrem Gesicht zu wandern.
Immer wenn ich die Perspektive wechsel, wird genau das was ich sehen möchte
verdeckt. Sie schmiegt sich an den Pfahl. Hält sich fest und stemmt sich gegen
die Regungen des Raumes. Sie schaut überall hin, nur nicht zu mir. Ich sehe sie
ganz deutlich und kann sie nicht sehen, schaue immer nur auf einen winzigen
Ausschnitt ihrer ganzen Herrlichkeit. Die glänzenden Stangen stehen
unerschütterlich zwischen unseren Gesichtern. Überall werden wir hingeworfen
nur nicht in eine innige Umarmung. Schatten huschen vorbei. Nur Momente,
flüchtig, einfach weg wie nie gewesen. Als sie ihren Blick langsam hebt schaue
ich weg. Eine Erschütterung wirft mich um. Es ist warm.
Dann wandere ich durch diese
Landschaft aus Glas. Ich sehe durchsichtige Gräser, die wie Glasnudeln im Wind
trudeln. Wolken fliegen über einen weißen Himmel und sehen aus wie
fehlgeschlagene Glasbläsereien. Die Bäume haben durchsichtige Lampenschirme und
wirken wie riesige Quallen, die ruhig durch den Ozean schwimmen. Herabhängende
Blätterwände schwingen im leichten Wind wie ein bestickter Vorhang in der
Sommernacht. Ich trete auf eine Lichtung und dort liegt sie auf einem weißen
Himmelbett, das mit blauen Rosen umrankt ist. Die barocken Ornamente auf dem
Gestell schauen mich an. Durch die Glasschichten der farblosen Pflanzen
schimmert ihr Körper sowie ihre Haut verführerisch unklar und verschwommen im
gleißenden Zwielicht der warmen Sonne. Ich komme näher wie verzaubert und an
Fäden wankend. Wie ein Vollidiot komme ich mir vor doch der Trieb macht mich zu
einem verführerischen Monster. Mein leerer Blick wandert über ihren nackten
Körper und trinkt ihren unfassbaren Wahnsinn, füllt sich mit ihrem Liebreiz und
läuft über vor Verlangen. Ich bin benebelt von ihrem wundervollen Körper. Sie
rekelt sich wie eine Göttin auf dem weißen Laken. Ein fast durchsichtiges Tuch
wickelt sich wie zufällig über ihre trainierten Waden und spannt sich an den
glatten, sportlichen Schenkeln. Das Tuch umspielt ihr Becken und legt sich wie
eine fremde Hand auf ihren flachen Bauch. Es scheint zu Tanzen so wie ihre
Taille schwingt. Der Rhythmus des Begehrens vollzieht einen mitreißenden Drang
der Lust, die sich wie ein Lob um das Ego krault. Sie drückt das Kreuz leicht
durch. Das leichte Tuch rutscht von ihren Brüsten. Klein und fest prangen sie
wie Skulpturen einer außerirdischen Perfektion.
Ich ringe nach Atem und habe sie
fast erreicht, als sich plötzlich die gesamte Lichtung bewegt. Sie senkt sich
komplett ab in eine bodenlose Tiefe und gibt rundherum einen Wasserfall frei.
Wir beide sind isoliert von der restlichen Welt. Es gibt nur sie, mich und die
Sehnsucht, die wie ein wilder Bach meine Gehirnwindungen schleift. Im Rauschen
geht mein Rausch unter. Es gibt keine Gedanken mehr zu denken. Meine Hand
streckt sich ihr entgegen. Ich will sie berühren, verführen, verwöhnen. Will
mich an sie schmiegen. Eins werden mit ihrer Wärme. Oh, was können die Worte
nur verschandeln wovon das Herz nur schweigen kann. Nur Gefühle, nur Drängen,
nur pure Emotion. Ich will nie wieder fühlen wenn ich sie nur einmal fühlen
dürfte. Wenn sie in diesem Moment für immer verschwinden sollte und ich mein
Augenlicht verlöre, würde ihre pure Existenz reichen, um mich für das restliche
Leben in einen leidenschaftlichen Wahnsinn zu treiben. Meine Finger wollen über
ihre Wange streichen doch seltsamerweise erreichen sie die Haut nicht. Ein
unwiderstehlicher Hauch von Luft legt sich zwischen meiner und ihrer Lust. Nur
Millimeter über ihren Rundungen gleitet meine Hand wie über einen kalten
Glastisch. Wie zwei schwache Magnete, die gleich gepolt sind und sich deshalb
abstoßen torkel ich um ihre Schönheit. Dieses schwache undurchdringliche Energiefeld
steht zwischen uns und macht aus einer wunderbaren Nähe gleichzeitig eine
brutale Ferne. Meine Finger sind nur wenige Millimeter von ihrer Haut entfernt
doch die schmale Wand steht wie eine Welt zwischen uns. Sie wandern ihren Hals
entlang und zeichnen die Knochen auf ihrem Dekolleté nach. Ich versuche sie zu
küssen aber kann ihren Atem nicht spüren, nicht ihre Lippen berühren, die ich
verschlingen möchte. Sie ist so nah, das ich sie greifen kann doch ich bekomme
sie nicht zu fassen. Ihre Hände entgleiten mir. Ihre meisterhaft entworfenen Schenkel
sehen aus wie der Inhalt der heißesten Träume und fühlen sich doch nur an wie
ein grober Gegenstand. Ich fühle die Rundungen ihrer Brüste, umstreiche die
runden Backen ihres Pos wie ein Künstler doch ich fühle nicht die Haut und kann
sie nicht berühren obwohl sie unter mir liegt. Es ist heiß.
Sie gibt sich mir hin und schaut
voller Gier. Zeigt mir, wie sehr sie mich will, doch sie ist meiner Kraft
entzogen, als schaute sie auf mich von einer anderen Dimension aus. Ihr
bewegender Wechsel von Anziehung und Abstoßungen könnte so wunderbar
harmonieren mit meinem Spiel von Intensität und Zärtlichkeit doch der Wunsch
ist nur eine winzige Muschel am Strand und wird von der nächsten Welle davon
gespült. Sie und mich trennt ein unsichtbarer Schleier, der weich ist wie Samt,
elastisch wie Gummi und durchsichtig wie Glas scheint aber dabei stark wie
Stahl ist. Es gibt keinen Durchgang zu ihrem Schloss. Ihr Schoß verlangt nach
mir und ich will sie doch es gibt kein Durchkommen. Willenlos hetzte ich über
ihre Haut. Verrückt nach ihrer anziehenden Gier dränge ich mit all meiner
Kraft, doch ich dringe nicht durch, kann sie nicht glücklich machen, kann sie
nicht erreichen, die Nähe ist eine grausame Illusion. Ein letztes Mal male ich
die Konturen ihres Körpers nach. Betrachte eingehend die bezaubernde Schönheit
und wende mich unter Tränen ab um mich den Wasserfällen zu nähern, die uns
umgeben. Es ist heiß und kalt zugleich.
Nach ein paar Schritten bleibe
ich stehen und lehne mich an einen der flauschigen Bäume, da merke ich, dass
sie hinter mir steht. Von weitem vernehme ich eine zarte Stimme, die flüsternd
meine Seele anzieht. Sie streckt mir ihre Hand entgegen doch ich kann mich
plötzlich nicht mehr bewegen. Ich bin wie versteinert und festgewachsen.
Verzweifelt kann ich nur noch meine Pupillen bewegen. Ihre Augen ziehen mich
an, saugen mich auf. Ihre Zunge wandert über meine kalten Lippen. Sie kommt
ganz nahe zu mir, schmiegt sich an mich. Schlingt ihre Beine um mich. Küsst
mich lange und intensiv während ihre Hände meinen Körper erforschen. Sie ist
sanft und fordernd zugleich. Sie saugt mir den Verstand aus meinem Hirn und
nimmt sich meinen Körper wie einen Blumenstrauß. Ich aber stehe da wie ein
vergessendes Bildnis. Von Unkraut bewachsen vor der antiken Gruft der
vergänglichen Welt des Lebens. Verloren in der Vergangenheit verliert sich mein
Trieb in einem verschollenen Gemälde. Wie warm sie ist! Wie schön sie ist! Wie
wunderbar sind ihre Berührungen! Ich kann sie nicht fühlen wie ein
Querschnittsgelähmter. Kann nicht meine Hände ausstrecken um sie zu
befriedigen. Die Explosionen der Zukunft verhallen ungehört. Wohin sind die
Chancen? Die Möglichkeiten des Schicksals gleiten mir durch die Finger wie ihre
Schönheit durch die Zeit. Langsam merke ich wie die Wasserfälle näher kommen. Die
Feuchtigkeit macht sie noch schöner. Ihre nassen Haare schüttelt sie vorsichtig
doch bevor mich der erste Tropfen erreicht lösen wir uns beide auf in dem
strömenden Wasser. Verschlungen vermischen sich unsere Hoffnungen. Zunächst
sind wir unterschiedliche Farben wie auf einer Farbpalette aber dann fließen
wir zusammen, erschaffen einen neuen Ton und werden eine Flüssigkeit, die ein
unbekanntes Tal erreicht, indem die Musik nur aus unserem Rhythmus besteht, der
im Gleichklang schlägt. Aus der Quelle der verflossenen Erlebnisse rinnt der
schmackhafte Saft der Gegenwart. Ich tauche ein letztes Mal in sie ein für
einen Moment der Ewigkeit. Das Rauschen
verfliegt, es wird still und die Sonne stürzt in das Meer. Das Wasser
verdunstet in den trüben Himmel. Nichts bleibt. Nichts bleibt.
Dann bin ich wieder in diesem
Metallwald. Sie ist verschwunden. Ihr Pfahl ist verweist. Mein Herz pocht noch.
Die Landschaft rast immer schneller. Die Erde droht mich zu verschlingen doch
dann ist die Endstation erreicht. Ich verschwinde im Menschenstrohm und geh
unter. Die Masse verschluckt meine Träume.